Trauergruppe

Fundstücke

"Seltsam, dass die Menschen das nicht in die Birne kriegen"

 

Der Schauspieler Frank Rogowski in einem Interview im "Süddeutschen-Magazin" über eigene Defizite - und dadurch eigene Erfolge:

 

Interviewerin Gabriele Herpell:

Sie haben vor vielen Jahren in einem Interview gesagt: „Ich habe Knieprobleme und bin Tänzer geworden. Ich habe Hörprobleme und mache Musik. Ich habe einen Sprachfehler und bin Schauspieler geworden.“ War das Opposition?

 

Franz Rogowski: Ich glaube, jemand, der keine Probleme hat – falls es so jemanden überhaupt gibt –, hätte es sehr schwer, einen Charakter zu entwickeln. Denn das, was wir nicht können und nicht tun, prägt uns unter Umständen stärker als das, was wir können und tun. Vielleicht werde ich deshalb immer wieder auf meine Lippenspalte angesprochen. In jedem Interview. Wie jetzt. Ich frage mich oft, was daran so interessant ist. Der Sprachfehler im Theater ist ja kein Thema mehr heute, zum Glück.

 

Gabriele Herpell: Aber er war ein Thema?

 

Franz Rogowski: Während der Ausbildung, ja, immer wieder. Ich bin gegen viele Wände angerannt, an körperliche Grenzen gestoßen. Und klar, meine Grundvoraussetzungen sind nicht so gut. Ich höre auf einer Seite wenig, ich habe diese Lippenspalte. Aber ich frage mich wirklich: Wie lange dauert das, bis die inhaltlichen Dinge, die man bewirkt oder zeigt, wichtiger werden, als dass man der Typ mit den Defiziten ist, der jetzt irgendwie Erfolg hat? Seltsam, dass die Menschen das nicht in die Birne kriegen und immer wieder wissen wollen, wie es dazu kam. Es funktioniert, weil man eine Liebe hat und eine Sehnsucht und für etwas brennt. Die Widerstände, die dann kommen, sind so viel größer als die Lippenspalte oder der Meniskusschaden.

 

Gabriele Herpell: Was sind das für Widerstände?

 

Franz Rogowski: Die Grenzen des eigenen Denkens. Das Aushalten, dass man immer derselbe ist. Sich denselben Ängsten stellen  muss. Dass Veränderung nur entsteht, wenn man sich immer wieder damit beschäftigt. Und man sich mit einer gewissen Ausdauer immer wieder verwundbar macht.(….)

 

Das ganze Interview können Sie lesen im Magazin der "Süddeutschen Zeitung" Nr. 20 vom 19. Mai 2017 auf den Seiten 28 bis 34 unter dem Titel: "Ich muss immer etwas tun, sonst löse ich mich auf" - Der Schauspieler Franz Rogowski sucht den Widerstand. Damit macht er sich das Leben schwer - aber Spaß ist ihm sowieso nicht geheuer.