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  Einsamkeit ist das Schlimmste

 

Pozzo die Borgo, seit einem Sportunfall vor 20 Jahren an allen Gliedmaßen gelähmt, und durch den Film "Ziemlich beste Freunde" bekannt geworden, hat ein neues Buch geschrieben, ein Manifest für eine brüderliche Gesellschaft. In einem Interview mit der "Zeit"-Redakteurin Elisabeth von Tadden sagt er unter anderem:

 

Zeit: 

Im Mittelpunkt steht bei Ihnen das Wort Brüderlichkeit. Sie sagen, in der Brüderlichkeit liegt der einzige Weg, einen tieferen Sinn des Lebens zu finden.

 

Pozzo di Borgo:

Unser gegenwärtiges Gesellschaftssystem beruht auf der Befriedigung aller individuellen Bedürfnisse. Das ist ein System ohne Sinn und Verstand. Das kapitalistische Wirtschaftssystem wiell die egoistische Befriedigung optimieren und behauptet, erst dann sei man glücklich - was für ein Unfug. Dieser Polysensualismus, der jeden Wunsch befriedigen will, ist schlicht verrückt. Mit Glück hat das nichts zu tun. Das System ist völlig überhitzt und überdreht. Als ich vor 20 Jahren lernen musste, mit der Schwerstbehinderung zu leben, merkte ich irgendwann, dass es nichts Elementareres gibt, als ein menschliches Gegenüber zu haben. Die Einsamkeit in unseren individualistischen Gesellschaften ist das Schlimmste. 

 

Zeit:

Nicht die Brüderlichkeit, sondern die Autonomie galt als das kostbarste Gut des modernen Menschen in diesen individualistischen Gesellschaften. Was bedeutet es Ihnen?

 

Pozzo die Borgo:

Autonom zu sein macht einen auch einsam und hilflos. Insofern halte ich die Autonomie für eine Absurdität. Wenn man, wie ich, durch die körperliche Unbeweglichkeit an der üblichen Selbstbestimmung gehindert ist, merkt man: Das Glück besteht im Austausch mit den anderen Menschen.  

(...)

Die Würde verwirklicht sich erst im Teilen mit anderen. 

 

 

 

Das gesamte Interview können Sie lesen im Zeit-Literaturmagazin "Bücher zu Weihnachten" Nr. 49 November 2012, Seite 26 bis 31