Trauergruppe

Fundstücke

Der verdrängte Tod

 
Eine kritische Gesamtschau auf unseren Umgang mit Toten, Sterbenden und ihre Bestattung, geschrieben von Regina Faerber 1995 und äußerst aktuell (leider) – ein Mutmacher, Veränderungen und eine neue Trauerkultur zu leben.
 

Ein Tod richtet sich ja nicht nach Alltagsplänen

„Ich schlage Ihnen vor, in den Tagen zwischen Eintritt des Todes und Bestattung sich die Betreuung und Besorgung, die Begleitung des Toten gemeinsam mit anderen zu teilen, sofern Ihnen das möglich ist, denn selbstverständlich sind auch einige praktische Dinge ,draußen in der Welt‘ zu erledigen, die von hoher persönlicher Wichtigkeit für sie den Verstorbenen sein können. Ein Grabplatz muss gegebenenfalls ausgesucht werden, auch eine Feier, mit vielleicht anschließendem Beisammensein, ist zu besprechen und zu organisieren.
Vielleicht haben Sie selbst in Ihrem persönlichen Umfeld auch noch etwas zu regeln; ein Tod richtet sich ja nicht nach Alltagsplänen."

Finden Sie den Weg zum Toten selbst

„Teilen Sie sich alle anstehenden Aufgaben gut ein, Sie haben im Grunde genommen jetzt viel Zeit, wenn Sie bewusst nachdenken; lassen Sie sich zu nichts drängen. Bitten Sie notfalls Ihren Bestatter um Mithilfe. Finden Sie nach Erledigung Ihrer verschiedenen äußeren Aufgaben jedoch immer wieder, möglichst nach jeder Erledigung, den Weg zum Toten selbst – innerlich und äußerlich.
Und machen Sie sich immer wieder klar, sofern Sie sich mit diesem Gedanken anfreunden konnten, dass die Entkörperung einer Seele ein langwieriger Prozess ist.

Finden Sie Ruhe beim Toten

Sprechen Sie mit dem Toten, auch über unvorhergesehene Umstände. Erklären Sie ihm jeweils, wohin Sie gehen, wenn Sie ihn für einige Zeit verlassen müssen, und wann Sie wiederkommen. Versuchen Sie, ihm geistig eine Hilfe bei seiner Ablösung vom irdischen Körper zu sein. Meditieren Sie beim Toten. Finden Sie, möglichst bei ihm, immer wieder zu mentaler Ruhe. Versuchen Sie es zumindest.

Wie Sie es für richtig halten

Gehen Sie gegen die Erwartungshaltung Ihrer Mitmenschen an; gehen Sie mit der eingetretenen Situation so um, wie Sie es möchten, wie Sie es für richtig halten.
Unsere Gesellschaft, auch wenn sie eine diktatorische Norm hat im Umgang mit Toten, hat keine Kultur im Umgang mit Toten – keine Kultur und keine wirkliche Besinnung.

Keine "Angst vor den Leuten"

Wenn Sie sich einmal klarmachen, wie viel Ihres eventuellen Zögerns, mit Toten in Zukunft anders umzugehen als bisher, allein in der „Angst vor den Leuten“ begründet ist, so erfahren Sie viel über sich selbst und viel über die sich ständig fortsetzende Fehlentwicklung unserer Gesellschaft.
Fast möchte ich sagen, dass wir uns aus Angst vor der Wahrheit einen Normkodex aus Kälte aufgebaut haben: Auf gar keinen Fall dürfen wir in der Nähe der Toten sein. Auf gar keinen Fall können wir liebevoll mit ihnen umgehen ...

Nicht dem Kältekodex verfallen

Eine informierte und geistig wache Vorbereitung verhindert, dass wir diesem Kältekodex verfallen. Anders gesagt: Je genauer unsere Gedanken und Vorbereitungen sind, umso mehr Platz ist für angstfreie Ruhe, ein bewusstes und warmherziges Erleben – nicht nur im Umgang mit den Toten.“

Regina Faerber: Der verdrängte Tod.

Über die Unkultur im Umgang mit unseren Toten. Geistige und praktische Hilfe. Ariston Verlag Genf/München 1995

S. 178/179