Trauergruppe

Fundstücke

Nüchterne Betrachtungen zu Sterben und Trauer

 

Klaus Feldmann forscht zu Thanatosoziologie und Bildungsforschung und schreibt sehr klar über die Ambivalenzen, in denen wir uns befinden, wenn wir über das Sterben und die Trauer reden.

 

Er schreibt unter anderem:

 

"Sterben wird in Zukunft eher technisch ,bewältigt' werden als Trauer. Trauer ist ein zu schwaches Wort, da nicht nur ein psychischer, sondern ein materieller und körperlicher Verlust zu beklagen ist.

 

Die Grenzen zwischen zwei Körpern, die 20 Jahre nebeneinander gelegen, gesessen und gegangen sind, sind porös geworden. Die körperlichen, psychischen und sozialen Teile sind ineinandergeflossen. Nun kommt ein Schnitt, der höchst schmerzlich sein kann.

 

Freilich kann es auch eine Befreiung sein, das heißt, man kann nun gehen, wohin man will, sprechen, mit wem man will, machen, was man will. Meist trifft beides zu:

Verstümmelung und Befreiung.

 

Somit geht es um Sensibilität im Umgang mit den vielen Stellen des Andockens an die verstorbene Person. Welche sind zu schmerzhaft, welche bereiten Freude, welche blockieren, welche dienen der positiven Entwicklung?

 

Die verstorbene Person kann ein Hindernis für neue Bindungen sein, aber auch als Schutz vor dem Risiko einer neuen Bindung dienen. Das bedeutet nicht, dass nicht auch andere Lebensmodelle möglich sind, die mit Symbiose mit der toten Person, scheinbarem Stillstand der persönlichen Entwicklung, geringem Ressourcenverbrauch und Kapitalschrumpfung verbunden sind. Die neuen Technologien ermöglichen immer mehr Vernetzungen mit dem Verstorbenen, wobei allerdings auch mehr Entscheidungen anfallen; die Bewältigung der Komplexititä erfordert Energien, Kompetenzen und Kultivierung."

 

 

(Klaus Feldmann, bis 2004 an der Uni Hannover tätig, wirkt derzeit bei Forschungsprojekten an der Wirtschaftsuni Wien mit. Forschunsschwerpunkte sind Thanatosoziologie und Bildungsforschung. Nachweis: Seite 44 im LeidFaden, Heft 1 von 2015)